"Beziehungsprobleme und ihre Geschenke" von Hampi van de Velde

„Beziehungsprobleme und ihre Geschenke“ von Hampi van de Velde

Wir haben viele Wünsche, einige materieller Natur und andere bezüglich Gesundheit und Wohlbefinden. Allerdings wollen wir definitiv keine Beziehungsprobleme haben. 

In Beziehungen streben wir nach Harmonie, Einigkeit und Verständnis, aber oft begegnen uns Konflikte, Eifersucht und Trennung. Erst später erkennen wir, dass negative Erfahrungen in Beziehungen oft positive Auswirkungen haben. Wenn wir Beziehungsprobleme haben, fehlen uns oft positive Gedanken und Gefühle. Es scheint, als ob Probleme und Beziehungen untrennbar miteinander verbunden sind. Als ob das eine aus dem anderen entsteht, wie das Huhn aus dem Ei, aber dennoch nicht klar ist, was zuerst da gewesen ist. Es ist schwierig zu sagen, wo Beziehungen beginnen, enden oder ob sie jemals enden. Vielleicht dient die Beziehung nur dazu, dass wir uns als Individuum weiterentwickeln. Vielleicht geht es gar nicht um «die Beziehung», sondern immer nur um unser Verhalten in Zweisamkeit, Gruppe oder Familie.

Der Begriff «Verbindung» klingt für mich freier und weniger einschränkend als «Beziehung».

Eine Verbindung zerrt nicht, fesselt nicht und engt nicht ein, da ich davon ausgehe den Grad der Verbindung selbst bestimmen zu können. Das Wort «Beziehungen spielen lassen» klingt nach politischen Machenschaften oder sogar Korruption, die wiederum Abhängigkeiten schafft.

Das Wort «Beziehung» bezieht sich für mich fast automatisch auf eine Liebesbeziehung, die aber nicht unbedingt auf hormoneller Basis beruhen muss. Freundschaftliche Verbindungen beinhalten viel Liebe und Nähe. Ich sage gerne, dass ich meine Freunde liebe. Sie sind die Familie, die ich gewählt habe, während meine Blutsverwandten die Familie sind, in die ich hineingeboren wurde. Mit unseren Eltern haben wir immer eine Beziehung, ob dies uns gefällt oder nicht. Als Erwachsene aber, wenn die kindliche Abhängigkeit vorbei ist, können wir selber wählen, ob wir mit ihnen in Verbindung bleiben. Beziehungen mit Freunden und/oder Partner/innen pflegen wir, wenn wir sie auf eine bestimmte Weise erhalten wollen. Andere existieren einfach, weil wir mit den betreffenden Menschen in Resonanz gehen.

Der Volksmund sagt: «Freunde hat man für immer, aber man kann seine Familie nicht loswerden.»

Die Liebesbeziehung erfüllt den Wunsch nach Gemeinsamkeit ausserhalb des familiären Rahmens und der Gründung einer eigenen Familie. Aber bedeutet dies, dass die Liebesbeziehung den Wunsch widerspiegelt, sich von der Stammfamilie zu lösen oder innerhalb der Familie eine gleichwertige Stellung wie die Eltern, Großeltern oder ältere Geschwister zu erreichen? Oder ist es einfach eine gewählte Verbindung und Lebensform, wobei kulturelle, gesellschaftliche und religiöse Aspekte eine große Rolle spielen?

Beziehung bedeutet nicht automatisch Ehe- oder Paarbeziehung. Es gibt viele Formen von Beziehungen – zum Beispiel in der Arbeitswelt. Dort können zwischenmenschliche Beziehungen genauso intensiv erlebt werden wie in romantischen Beziehungen. Vielleicht liegt das daran, dass ähnliche Gesetzmässigkeiten in beiden Bereichen gelten?

Ob Chef oder Chefin, sie werden oft mit Vätern oder Müttern verglichen, während Praktikanten oder Lehrlinge wie jüngere Geschwister behandelt werden. In der Familie sind es die Lebensumstände, die das familiäre Umfeld prägen, während am Arbeitsplatz die Umstände am Arbeitsplatz und das Arbeitsumfeld eine wichtige Rolle spielen. Der Chef wird oft als klassischer Ernährer, vergleichbar mit einem Vater, betrachtet, dem wir alles recht machen müssen. Im Idealfall sollten
wir das auf eine Weise tun, bei der wir uns selbst nicht aufgeben müssen.

All diese Gedanken und Überlegungen führen zu der Frage, ob wir uns unsere Beziehungen lediglich als etwas Positives vorstellen und sie in Wahrheit egoistisch und nur Mittel zum Zweck sind. Zweckgebundene Verbindungen, die aus unserem Denken heraus entstehen, folgen dann einer zutiefst emotionalen und undurchsichtigen Logik, der sich die wenigsten Menschen dauerhaft entziehen können. Ungeachtet der Beziehungsgeschichten aus der Vergangenheit gibt es heutzutage jedoch einen besonders guten Grund, Beziehungen zu leben, insbesondere wenn wir uns des positiven Denkens bewusst sind.

Nirgendwo sonst können wir mehr über uns selbst erfahren als in Beziehungen – sei es mit Familienmitgliedern, Partnern, Freunden oder Arbeitskollegen. Denn unser Gegenüber, so andersartig es auch zu sein scheint, spiegelt immer eine oder mehrere Seiten unseres Selbst wider. Das lässt uns erkennen, wie wir ticken, denken, fühlen und handeln – besonders wenn Beziehungsprobleme auftauchen.

«Gnothi seauton – Erkenne dich selbst», sagte schon der griechische Philosoph Platon, der als Begründer des Dualismus gilt. Ohne Beziehungen und Beziehungsprobleme können wir viele Erkenntnisse des Lebens nicht erlangen. Ohne ein Spiegelbild in der jeweiligen Situation sehen wir uns nicht in unserer Ganzheit. Der Glaube, dass es ohne Reflexion mit einem Gegenüber möglich ist, wahre Selbsterkenntnis zu erlangen, ist ein Irrglaube der Narzissten und die Illusion der Einsamen.

Wenn uns bewusst ist, wie wir das Positive in jeder Beziehung erkennen und als Werkzeug für unseren Geist, unser Selbst und sogar unsere Seele anerkennen
können, dann beginnt sich eine positive Denkweise in der Beziehung und in Beziehungskrisen zu manifestieren.

Dadurch wird die Krise zu einer positiven Chance, die unsere Beziehung stärkt statt schwächt. Wenn Männer und Frauen dies erkennen, verstehen sie den unschätzbaren Wert von Beziehungen und gehen vorbehaltlos mit Mut, Zuversicht und einer positiven Einstellung in die Beziehung, anstatt von Unmut, Sorgen und Beziehungsängsten geplagt zu werden. Ich sage das, weil ich in Konflikten und Trennungen lange davon ausgegangen bin, ich oder mein Gegenüber sei das Problem. Bis ich realisierte, dass die Beziehung selbst ein Wesen mit einer Art Eigenleben ist, das einen Sinn und einen Nutzen für die Welt hat, so ungewöhnlich es auch scheint.
Als ich dann meinen Fokus vom Problem auf das Leben verlagerte, erkannte ich: dagegen anzukämpfen lohnt sich nicht. Es zu nutzen, um im Leben weiterzukommen, hingegen schon.

Seither bin ich dankbar für die Beziehungsprobleme, welche hier und dort auftauchen und sehe sie als Geschenk. Sie zeigen mir auf, dass ich für einen weiteren Schritt nach vorne bereit bin. Dass ich fähig bin, damit umzugehen und in der Herausforderung meine Möglichkeit erkenne, zu wählen, so zu sein, wie ich sein will oder mich selbst zu verleugnen und einen Schuldigen zu suchen, den es nicht gibt.

Hampi van de Velde ist Heilmedium und Autor


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